Sigismund
Rahmer, Heinrich von Kleist als Mensch und Dichter. Nach
neuen Quellenforschungen (Berlin: Reimer 1909), 333-334
Ergänzungen und Berichtigungen zu den Kommentaren von Kleists Werken.
Erzählungen
h) Erzählungen.
Die beiden Bände Erzählungen sind von der zeitgenössischen Kritik nur wenig
beachtet worden. Mit spärlichen und kurzen Besprechungen geht sie über die
Neuerscheinung hinweg.
Im Beiblatt zum Morgenblatt (1810 Nr. 22, S. 86) heißt es
unter Übersicht der neuesten Literatur:
< >>
Morgenblatt für gebildete Stände, 28. 12. 1810, Nr. 311, (Anhang:)
Nr. 22. Übersicht der neuesten Literatur. 1810 (Darin 88: Schöne Redekünste.)>
<334:> Das Journal des Luxus und der Moden bespricht den ersten Band gar nicht.
Über den zweiten Band bringt es (1812 Februar S. 109-110) unter neueste
schöne Literatur den folgenden kahlen G-r (Gruber?) unterzeichneten
Artikel:
Nicht ohne ein wehmüthiges Gefühl gedenke ich des Werkes eines unglücklichen,
vielleicht nur durch seine nicht gemeinen dichterischen Anlagen zu früh untergegangenen,
jungen Mannes, der Erzählungen von Heinrich v. Kleist. (Berl. Realschulhandlung.
1811.) von denen der zweite Band vor mir liegt. Die Darstellung ist durchaus lobenswerth,
die Phantasie des Erzählers aber hängt am liebsten am Schrecklichen und mystisch
Wunderbaren. Gerade den beiden Erzählungen jedoch, die am meisten mit dem Letzteren
tingirt sind (das Bettelweib von Locarno und die heil. Cäcilie; Legende)
habe ich am wenigsten Geschmack abgewinnen können, und habe lieber bei der Verlobung
in St. Domingo und dem Findling verweilt, ungeachtet bei beiden das
Schreckliche fast in das Gräßliche übergeht. Die Krone von allen diesen Erzählungen
ist der Zweikampf. Wer aber durch Lectüre lieber erheitert als bloß
erschüttert, oder gar in Furcht gesetzt seyn möchte, der muß freilich andere suchen.
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