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Adam Müller, Fragmente über die dramatische Poesie und Kunst, 41-52; darin: IV. Von der monologischen Liebe, 45f.

IV. Von der monologischen Liebe.

Die beiden Arten der Einseitigkeit in Behandlung der Welt, des Menschen, der Wissenschaften und des Drama’s, die wir oben durch den Unterschied des monologischen und dialogischen erläuterten, treten nirgends deutlicher an den Tag, als in der von allen Dramen, Romanen, Novellen und Sonnetten, besonders der neuern Welt gefeierten Handlung par exellence, der Liebe nemlich. Die Art der Liebe, welche sich in ihren Gegenstand versenkt und verliert, die ihn sich so nahe vor die Augen treten läßt, daß er ihr die ganze übrige Welt mit ihren Reizen und Heiligthümern verbirgt, verdient gewiß den Namen der monologischen Liebe. In der natürlichen Ordnung der Dinge ist die steigende Anhänglichkeit zu einem schönen Gegenstande, nichts weiter als die wachsende Erkenntniß seiner Schönheit und seines ungewöhnlichen Glanzes; da pflegt er denn der umgebenden Welt von seinem Schimmer mitzutheilen, in manche dunkle verborgene Stelle des Herzens wie des Lebens Licht zu verbreiten, der Genuß seiner Gegenwart erhebt alle Fähigkeit, die übrige Gegenwart zu genießen, und giebt erst das Bewußtsein vom Reichthume und der unendlichen Fülle des Lebens überhaupt. Nicht so die monologische Liebe! Ob sie nun vom ungewöhnlichen Glanze so geblendet ist, oder ob sie nur eines und immer nur eines zu tragen, zu halten, zu lieben weiß, genug sie vergeht, sie zerrinnt wie Semele vor dem erscheinenden Jupiter: die übrige Welt erscheint ihr schaal, trüb und abgeschmackt: damit das eine geliebte Bild nur recht vergöttert werde, mag nicht blos sondern muß die ganze Natur in Staub zerfallen. Bleiben vielleicht noch Empfänglichkeit und Reize für anderweites Schöne und Große in dem Liebenden nach monologischer Manier zurück, so macht er sich vielleicht eine tolle Gewissenspflicht daraus, die Empfänglichkeit dafür als eine Art von Untreue zu unterdrücken, wo sie sich meldet: Zwang, meint er, Casteiungen, Selbstpeinigungen, die dem geliebten Gegenstand um so widriger erscheinen müssen, die um so sicherere Beweise der erstorbenen Liebe sind, je größer das Verdienst und die Überwindung des Selbstpeinigers ist – dies wähnt er, seien Opfer, die man dem Schönen auf Erden bringen müsse. Was aber diesen monologischen Liebhaber mehr als alles andre characterisirt, ist der seltsame Umstand, daß, wenn wir es recht betrachten, zu seiner Liebe der Besitz seines Gegenstandes gar nicht eben nothwendig ist. Er begnügt sich mit Anbetung aus der Ferne und oft hat er es mit einer Composition idealisirter Züge zu thun, <46:> die der ganzen Welt ähnlich sehen mag, nur dem einen nicht, dem zu Ehren er die ganze Welt vergißt und vernichtet. –
Erfolgt die Gegenliebe nicht, so steht es schlimm – erfolgt sie, so steht es auch nicht besser, denn nun wird alles einzelne, dem Gegenstande angedichtete gesucht und nicht nur nicht, sondern ganz anders gefunden: ein Zug des voreilig abgefaßten Ideals nach dem andern muß ausgelöscht werden, weil nun einmal die Wirklichkeit eine Widersprecherin ist; aber an das Ganze wird demungeachtet immerfort noch geglaubt – und so entsteht das ganze Heer von Qualen, und Verwicklungen, die ein Kind auflösen könnte und die den Liebenden unauflöslich wie gordische Knoten erscheinen. Der ruhige Zeuge eines Gesprächs zwischen denen auf solche Weise an einander gerathenen, wird die Wahrheit meiner Bezeichnung fühlen: jeder von beiden spricht im Grunde für sich, hält einen Monolog an sein Ideal, in den die Worte des andern ihm gegenüberstehenden Monologs ungeschickt hineinstolpern und so viel ihrer sind, mißverstanden werden: die beiden unglücklichen Seelen bannen sich durch diese gegenseitigen Zauberformeln immer fester; der Dialog, den sie eigentlich wollen, der zarte, bewegliche Geist der Liebe entweicht mehr und mehr, und einer oder der andre sehnt sich vielleicht gar nach der Zeit zurück, wo er ohne Gegenliebe, d. h. recht seinem Charakter gemäß liebte.

 

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Letzte Aktualisierung 28-Mär-2003
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