Adam Müller,
Fragmente über die dramatische Poesie und Kunst, 41-52;
darin: III. Elemente des Drama’s, 44f.
III. Elemente des Drama’s.
Das Drama hat zwei nothwendige
Bestandtheile: ich nannte sie den Monolog und den Dialog:
eine Handlung, ein Held erscheint in mannichfaltigen
Situationen, im bunten, wechselnden Verkehr mit sehr
verschiedenartigen Naturen. Man sieht eine Handlung,
hört ein Wort, einen heiligen Gedanken
durch das ganze Drama hindurchklingen (monologisches Element
des Drama) behält auch einen einzigen tiefen und einfachen
Eindruck zurück; und dennoch sieht man auch wieder
viele Handlungen, vernimmt sehr verschieden gestaltete Worte
und das Spiel unendlicher, kreuzender Gedanken (dialogisches
Element des Drama). Der wahre Zuschauer hat ein Auge für
beides: er sieht nicht blos die einzelnen Scenen, die in
raschem Wechsel auf den Flügeln des Dialogs vor ihm
hinschweben, er sieht aber auch nicht blos den einen Gedanken,
den einen Helden, den der Dichter hat darstellen wollen.
Er <45:> interessirt sich so gut für das veränderliche
als für das bleibende; er interessirt sich so gut für
die Johanna von Orleans und ihren heiligen Entschluß,
den König zu retten und zu krönen, als für
alle die großen Charactere und Begebenheiten, die
sich der heldenmüthigen Jungfrau bald mit Waffen des
Arms, bald mit Waffen des Reizes und der Schönheit
in den Weg stellen. Das ist der wahre Zuschauer: diesen
nennen wir den dramatischen Zuschauer, weil er mit
dem Kunstwerke beschäftigt ist, und in demselben lebt,
grade eben so, wie der dramatische Dichter, der es hervorgebracht.
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