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Sigismund Rahmer, Heinrich von Kleist als Mensch und Dichter. Nach neuen Quellenforschungen (Berlin: Reimer 1909), 115-120

Friedrich de la Motte Fouqués und Otto Heinrich Loebens Beziehungen zu Kleist


Neumanns Worte kennzeichnen die Stimmung der Schriftsteller, von denen ein Teil (Müller, Wolfarth) später in den Abendblättern auftritt, gegen Iffland. „Wir müssen piano anfangen.“ Diese Worte Neumanns bilden auch das Leitmotiv der Abendblätter-Redaktion. Kleist und seine Freunde wußten, daß sie, wie auch Steig hervorhebt, mit größter Vorsicht vorgehen mußten. Die Lage war um so schwieriger, als die Abendblätter nicht während der Abwesenheit Iffland, sondern unmittelbar nach seiner Rückkehr zu erscheinen begannen. Auf die Rückkehr Ifflands brachten die Abendblätter ein Gedicht, „das Kleist klug genug war“, wie Steig schreibt (B. K. 189) in sein drittes Abendblatt aufzunehmen. Würde es sich nur um ein einfaches Begrüßungsgedicht eines „entzückten Poeten“ handeln, man könnte die Auffassung Steigs teilen, daß Iffland gewonnen oder doch in Sicherheit gewiegt werden sollte. Aber das sehr schwache Gedicht ist mehr, es ist ein Verherrlichung und eine schweifwedelnde Beweihräucherung des Heros Iffland. Hier das vollständige Gedicht, von <116:> dem Steig nur die erste, ziemlich bedeutungslose Strophe wiederzugeben für gut befunden hat.

An unsern Iffland
bei seiner Zurückkunft in Berlin
am 30. September 1810.

Singt Barden! singt Ihm Lieder,
Ihm, der sich treu bewährt;
Dem Künstler, der heut wieder
In Eure Mitte kehrt.

In fremden Landen glänzen
Ist ihm kein wahres Glück;
Berlin soll ihn umkränzen
Drum kehret er zurück.

Wie oft saht Ihr Ihn reisen
Mit furchterfüllter Brust
Ach! seufzen Volk und Weisen
Nie kehret unsre Lust!

Nein Freunde, nein! und schiede
Er mehr Mal’ auch im Jahr,
Daß er Euch gänzlich miede
Wird nie und nimmer wahr.

In Sturm nicht, nicht in Wettern
Kann dieses Band vergeh’n;
Stets auf geweih’ten Brettern
Wird Er, ein Heros, stehn;

Wird dort als Fürst regieren
Mit kunstgeübter Hand,
Und unsre Bühne zieren
Und unser Vaterland!

Von einem Vaterländischen Dichter.

Ich kann es nicht mit Steig als besondere Klugheit Kleists betrachten, daß er dieses elende Machwerk in sein neu erschienenes Blatt aufnahm. Aber abgesehen von der Qualität der Verse, mußte es doch auf den Leserkreis eigenartig wirken, <117:> daß ein Redakteur – und Kleist war als solcher bekannt, wenn er auch nicht als solcher zeichnete – Iffland verhimmelte und beweihräucherte, nachdem er einige Wochen vorher mit den lästerlichsten Worten vor aller Öffentlichkeit – die Presse hatte von der Käthchen-Fehde Notiz genommen – eben diesen Heros bloßgestellt hatte. Ich kann mir nicht denken, daß Kleist um die Aufnahme des Gedichts gewußt hat, Kleist, der an den kleinsten Epigrammen und an der Beiträgen bewährter Mitarbeiter kräftig änderte, feilte und umarbeitete; ich kann mir nur denken, daß von seiten gutmeinender Freunde in der Absicht, den Kleist übelgesinnten und allmächtigen Theaterleiter zu versöhnen, ohne Wissen Kleists der Beitrag eingeschmuggelt wurde – ein Verfahren, das leicht verständlich ist, wenn man die technischen Schwierigkeiten bedenkt, welche der Redakteur in den ersten Blättern zu überwinden hatte. Kleist aber quittierte auf dieses gewiß gutgemeinte aber ihn kompromittierende Vorgehen seiner Mitarbeiter, indem er schon in dem nächsten Abendblatte mit seinen wuchtigen Angriffen gegen Iffland begann. Es erschien mir wichtig, die Aufmerksamkeit auf diesen Iffland-Hymnus in den Abendblättern zu lenken, weil dadurch ein Licht geworfen wird auf Kleists Stellung in seinem Blatte, auf welche ich später zurückkomme.
Der Konflikt zwischen Kleist und Hitzig wird von Fouqué (8) nur berührt. Er mußte Fouqué doppelt nahegehen, weil Hitzig, den Varnhagen dem Freunde zugeführt hatte, nicht bloß sein Verleger, sondern auch sein intimer Freund geworden war, und weil er es zweifellos war, der die Verbindung zwischen Hitzig und Kleist geknüpft hatte. Wir erleben so die ganz auffallende Erscheinung, daß die christlich-deutsche Tischgesellschaft mit ihren Satzungen gegen Philister und Juden die von ihr ins Leben gerufene Zeitung nicht etwa im Verlage ihres Mitgliedes Georg Reimer, oder eines anderen, sondern bei Hitzig erscheinen läßt, der nach seiner Abkunft von der Teilnahme an der Gesellschaft ausgeschlossen war. Ich <118:> sehe hierin neben manchem anderen einen Beweis dafür, daß wenigstens für Kleist die Satzungen der Gesellschaft nicht für das Leben galten und nicht propagandistische Gewalt hatten. Nach der Andeutung von Fouqué (8) scheint die Angabe im Morgenblatt, Hitzig habe den Verlag aufgegeben „aus Mangel an Teilnahme von seiten des Publikum“ nicht zutreffend, sondern Gründe mehr persönlicher Art scheinen den Zwiespalt hervorgerufen und die definitive Trennung herbeigeführt zu haben.
In seiner „Neue Kunde zu Heinrich von Kleist“ hat Steig die Aufmerksamkeit auf eine verschollene Zeitung gelenkt, die unter verschiedenem Titel als: Berlin oder der Preußische Hausfreund, dann als: Hermann oder der Preußische Vaterlandsfreund, schließlich als: Der Preußische Vaterlandsfreund ein wechselvolles Dasein führte, und die für die Kleistforschung insofern von Bedeutung ist, als hier ein Kleist zugeschriebenes Gedicht, das Rosensonett, veröffentlicht wurde. Die sachlichen Angaben Steigs zur Geschichte der Zeitung, welche sich auf ihr Studium stützen, bin ich in der Lage aus den vielfachen Angaben in der Korrespondenz zwischen Fouqué und Varnhagen und Wilhelm Neumann zu bestätigen.
Die Absicht, eine Zeitung zu begründen wird immer von neuem in den Briefen der Freunde geäußert; schon am 10. April 1808 schrieb Fouqué aus Nennhausen:

(10) Du schreibst von einem Journal, das wir Freunde zusammen herausgeben sollten. Thue doch dein Mögliches, so ein Unternehmen in den Gang zu bringen. Du kennst und siehst mehrere wackere Männer, führe ihnen die Schmach des jetzigen wässrigen, prätensionsvollen Geschwätzes der Zeitschriften zu Gemüthe, da sie ein Gemüth haben, welche Eigenschaft immer seltener zu werden anfängt, und laß uns aus erneuten, redlich angestrengten Kräften, aus einem wahrhaften Wollen des Guten um des Guten willen ein ernstes, rücksichtslos aufstrebendes Gebäu hervorgehen.

Mit dem zweiten Quartal des Jahres 1811 sollte sich der Wunsch der Freunde verwirklichen. Wilhelm Neumann <119:> übernimmt die Redaktion des Vaterlandsfreundes, und die Erörterungen über die Versorgung und Einrichtung des Blattes nehmen nunmehr einen breiten Raum in der Korrespondenz ein.

Fouqué an Varnhagen aus Nennhausen d. 2. Mai 1811.
(11) Neumann redigirt jetzt den Preußischen Vaterlandsfreund, ehemaligen Hausfreund und wir Genossen Alle, vorzüglich ich Polygraph, thun unser Mögliches für diese Zeitschrift. Thue Du doch das Deine auch. Du bist ganz vorzüglich gut dazu im Stande. Neumann schreibt mir hierüber folgendes: an Varnhagen schreibe ich dieser Tage sicher, da Du es aber wahrscheinlich eher thust, so lade ihn doch zur Theilnahme an dem Vaterl. Fr. ein. Da er nun wieder einen bestimmten Aufenthalt und einige Ruhe haben wird, so wird er bald wieder reich sein an mancherlei Schätzen, die sich zur Mittheilung auf diesem Wege eignen. Die Schlegelsche Recension Deines Sigurd und viele seiner eigenen Arbeiten, von denen er spricht, kann er ja nirgends lieber und besser anbringen. – Ich bin derselben Meinung und hoffe, Du machst uns und den Berlinern diese Freude. Zur Probe lege ich Dir ein Blatt bei. Du wirst zu Anfang noch Reste von altem Wust finden, die Neumann freilich nicht auf einmal hinausfegen kann; doch denke, es soll Dir das Blatt wegen Neumanns Epigrammen und meiner Waldemarprobe lieb sein,. – – – Theile diese Sachen doch Pfuel mit, den ich herzlich grüße und ihm nächstens schreiben will, und laß Dir von ihm meinen Todesbund mittheilen, wenn er ihn endlich von der Censur hat habhaft werden können.

Varnhagen an Wilhelm Neumann. Prag d. 29. Mai 1811.
(12) Ich erhalte so eben, mein geliebter Freund, einen Brief von Fouqué, der mir einen von Dir verheißt. Zugleich schickt er mir ein Blatt des Preußischen Vaterlandsfreundes, worin ich mit freudiger Überraschung drei griechische Epigramme von Dir finde. Noch mehr überrascht mich die Nachricht, daß Du diese Zeitschrift redigirst: Glück auf! mein lieber Wilhelm. Sei nur recht thätig dabei, vorsichtig und fügsam! Du weißt es, und ich brauche nicht erst Gott zum Zeugen zu rufen, aus wie treuem Herzen ich Dir rathe! Vorerst gilt es ja nur, daß etwas Gutes bestehe, und langsam und bescheiden will alles Gute im schlechten Publikum eingeführt werden; nimm nicht zu viele Gedichte, nicht zu große Aufsätze, suche Unterhaltung zu geben, damit die Bildung Platz gewinne. Sollen starke Schläge geschehen, nun gut! so müssen sie so sein, daß es einen nicht reue, um ihretwillen die Zeitschrift verboten oder sinken zu sehen. Du hast das gewiß alles bedacht, aber verzeihst mir gern, daß ich es noch sage. <120:>

Wilhelm Neumann aus Berlin d. 1. Juni 1811.
(13) Apropos kann ich die paar Gedicht von Uhland abdrucken lassen, die Du uns hergesandt hast? Übrigens fürchte nur nicht, daß ich dem Blatt durch starke Schläge schaden werde, die fängt die Censur alle auf. Schon habe ich der Polnischen Nation eine Reparation d’honneur machen müssen wegen einer lumpigen Anecdote, die, obgleich sie schon durch das feine Sieb der Censur gelaufen war, dennoch von der höheren Behörde noch zu dick befunden ward.


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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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