Wo endigen die Buchen,
Dort,
auf dem grünen Plan,
Wo
durst’ge Schafe suchen
Hüpfend
zur Bay die Bahn,
Wo
stockt der Segel Eile,
Ein
alter Thurm steht da;
Den
heißt man Faareveile,
Weil
er dem Weiler nah.
So treulich er sich hebet,
Die
Stange stark und dünn,
Vor
keinem Sturm er bebet;
Man
wird so fremd im Sinn!
Von
wem ist der besessen?
In
niedrer Hütten Schaar,
Wie
Bauern, stellt vermessen
Er
sich, ein Ritter, dar.
Wohlauf! Wohin ich sehne,
Zur
alten Mauer fort,
Da,
mit ehrwürd’ger Schöne
Am
jugendlichen Ort.
Nun
sind wir da! Bald finden
Wir
hohen Rittersaal. –
Wie
das? Die Burg will schwinden?
Ist’s
mit dem Eingang all?
Ward Alles sonst zerstöret
Zu
jüngrer Eigner Zeit?
Blos
nicht der Thurm versehret
Ob
der Ehrwürdigkeit?
Voll
Erde sind die Gräben;
Seht
welch ein Blumenchor!
An
vor’ges Wasserleben
Mahnt
hie und da ein Rohr.
Die Brücke hier – noch fließet
Ein
sumpfig Naß hinan.
Still!
mit Willkommen grüßet
Uns
dort ein alter Mann;
Fern
von den starken Resten,
Die
noch nicht wurden Graus,
Verleiht
er seinen Gästen
Eintritt
ins stille Haus.
Das Dach ist Stroh gedecket,
Doch
hoch die Stub’ und frisch.
Sieh
dort steht schon gedecket
Gastfrei
der Kaffetisch;
Das
sanfte Fraungebilde,
Ob
alt gleich, doch nicht schwach,
Wie
steht sie drinn so milde,
Uns
bietend Guten Tag!
Zum Fenster hin sich dränget
Der
grüne Ast, so dicht,
O
sieh wie voll er hänget
Von
reifer Kirschen Licht!
Wie
ihnen Sonne blinket,
Zum
Purpurbusen warm.
Der
Baum wie freundlich winket
Uns
mit dem kühlgen Arm!
Des Gartens breite Gänge,
Wie
reinlich, sieh, und nett!
In
kein Englisch Geschlänge
Verwirrt
er sein Bosket;
Den
graden Weg er gehet
Ehrwürdig
streng und gleich,
Zu
jeder Seite stehet
Ein
lieblich Blumenreich. <55:>
Ein Rasen ward erreichet
Sanftgrünend
hier von mir;
Der
heiße Sommer bleichet
Den
Fleiß des Winters hier.
Was
nur in dunklem Zimmer
Lief
durch das schnelle Rad,
Färbt
nun der Sonne Schimmer,
Mit
seinem Lilienbad.
Wie keck die Hecke langet
Froh
aus dem Mutterland!
Frisch,
dichtverschlungen pranget
Die
neu entsprungne Wand;
Wie
schlau, die Gränz’ zu decken,
Sie
knappen Wall verhüllt,
Mit
ihren grünen Hecken
Und
kühl’gem Sommerschild!
Wie hoch das Laub sich ründet
In
diesem dunkeln Gang!
Das
Blatt sich liebend windet
Bei
Nachtigall-Gesang!
Hier
steht ein Tisch, von Jahren
Bemoost,
doch Mangelrein;
Er
trotzt der Zeit Gefahren
Von
schierem Quaderstein.
Doch sage uns, wasmaßen
Das
konnte All vergehn?
Und
wie den Thurm so lassen
Von
Allem blos bestehn?
Wie
ist’s, daß ich vergleiche
Sein
Bild, vom alten Nord,
Der
Hütte, diese Zweige
Dem
seltnen Tische dort?
Da wiederum uns führte
Zum
Thurm der Greise fort;
Die
Hand den Stab berührte,
Und
redte dieses Wort,
Indem
sein Aug’ nach oben
Sanft
hob gen Himmel sich,
Wo
prangte hoch erhoben
Die
Stange ritterlich:
Wohl manches Jahr ich walte
In
dieser Wohnung fort;
Einstmals
ein Ritter alte
Erbaute
den Thurm dort.
Er
machte dies von Gräben,
Was
mir nun Wälle schlägt,
Den
Garten zu umgeben,
Und
dort die Hecke trägt.
Mit hohen Bastionen
Er
schlau den Wall verband,
Und
starke Erz-Kanonen
Setzt’
er zu jeder Hand.
Ein
Thurm gewaltigleichen
Trat
von der Erd’ in Höh,
Um
weiten Aug’s zu reichen
Hin
über Wies’ und See.
Aufs beste kriegt’ bestellet
Der
Herr, was hier wir sehn,
Da,
wie es leider fället!
Thät
ihn der Tod abmähn;
Der
fragt nach keinem Walle,
Sein
Arm ist graß und stark,
Der
brachte ihn zu Falle
Mitten
im schönen Werk.
So ward durch sein Vertrauen
Mir
Alles klar im Sinn.
Da,
von den grünen Auen
Hob
ich den Blick dorthin,
Wo
ob der Bogenpforte,
Wie
auf vergüldtem Berg,
In
lichtem Farbenworte
Ich
sahe: Hardenberg. <56:>
War das der alte Ritter,
Deß
Arbeit lockte mich?
O
holdes Sanggezitter!
Nun
erst versteh’ ich dich.
Er
war es, der ausführte
Sei
Werk mit dreistem Muth,
Bis
frech der Tod ihn rührte
Mit
seiner kalten Wuth?
Er leitete in Gräben
Die
Sümpfe, von dem Thor,
Doch
schwand der Rose Leben,
Trat
blos der Thurm empor.
Ward
graß vom Tod entrissen,
In
weißem Panzerhemd,
Und
ließ uns Thränen gießen
Beim
Baue so gehemmt.
Fahr wohl! Ich will nun wandern
Von
diesem lieben Werk.
Ich
kenne einen Andern,
Gleich
diesem Hardenberg;
Ein
Umriß ward geleget,
Wie
hier, ein Eingang roth
Gebaut,
als Tod sich reget –
Und
Novalis ist todt.
Fahr wohl, still Gartenleben!
Nun
kenn’ ich deinen Blick.
Fahrt
wohl, gesunkne Gräben!
Mannheit
blieb hier zurück.
Fahr
wohl, du sanfte Fraue!
Du
Alter! Wies’ und Gang!
Nun
meine Thräne thaue
Zum
linden Harfenklang.
Anm.
Es ist bekannt, daß des allzufrüh entrißnen Dichters
Novalis rechter Name Hardenberg war. Die Übereinstimmung,
die ich fand zwischen der ehrwürdigen, halbvollendeten
Ritterburg in Dänemark von einem seiner Stammväter
aufgeführt, und seinem durch den Tod gehemmten Werk,
Heinrich von Ofterdingen, gab Anlaß zu obenstehendem
Gedicht.
Adam
Öhlenschläger.