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Friedrich v. Hardenberg (Novalis), IV. An Dorothee. Zum Dank für das reizende Bild meiner Julie, 42

IV. An Dorothee.
Zum Dank für das reizende Bild meiner Julie.

1. Soll dieser Blick voll Huld und Güte
Ein schnell verglommner Funken seyn?
Webt keines diese Mädchenblüthe
In einen ew’gen Schleier ein?
Bleibt dies Gesicht der Treu und Milde
Zum Trost der Nachwelt nicht zurück?
Verklärt dies himmlische Gebilde
Nur einen Ort und Augenblick?

2. Die Wehmuth fließt in tiefen Tönen
Ins frohe Lied der Zärtlichkeit.
Niemals wird sich ein Herz gewöhnen
An die Mysterien der Zeit.
O! diese Knospe süßer Stunden,
Dies edle Bild im Heil’genschein,
Dies soll auf immer bald verschwunden,
Bald ausgelöscht auf ewig seyn?

3. Der Dichter klagt, und die Geliebte
Naht der Zypresse, wo er liegt.
Kaum birgt die Thränen der Betrübte,
Wie sie sich innig an ihn schmiegt.
Er heftet unverwandte Blicke
Auf diese liebliche Gestalt,
Daß er in sein Gemüth sie drücke,
Eh sie zur Nacht hinüber wallt.

4. Wie, spricht die Holde, du in Thränen?
Sag, welche Sorge flog dich an?
Du bist so gut, ich darf nicht wähnen,
Daß meine Hand dir weh gethan.
Sei heiter, denn es kommt so eben
Ein Mädchen, wie die gute Zeit.
Sie wird ein seltsam Blatt dir geben,
Ein Blatt, das dich vielleicht erfreut.

5. Wie, ruft der Dichter, halb erschrocken
Wie wohl mir jetzt zu Muthe ward!
Den Puls des Trübsinns fühl’ ich stocken
Und eine schöne Gegenwart.
Die Muse tritt ihm schon entgegen
Als hätte sie ein Gott gesandt,
Und reicht, wie alte Freunde pflegen,
Das Blatt ihm und die Lilienhand.

6. Du kannst nun deine Klagen sparen,
Dein inn’rer Wunsch ist dir gewährt.
Die Kunst vermag das zu bewahren,
Was einmal die Natur verklärt.
Nimm hier die festgehaltne Blüthe
Sieh ewig die Geliebte jung:
Einst Erd’ und Himmel, Frucht und Blüthe
In reizender Vereinigung.

7. Wirst du gerührt vor diesen Zügen
Im späten Herbst noch stille stehn,
So wirst du leicht die Zeit besiegen
Und einst das ew’ge Urbild sehn.
Die Kunst in ihren Zauberspiegel
Hat treu den Schatten aufgefaßt.
Nur ist der Schimmer seiner Flügel
Und auch der Strahlenkranz verblaßt.

8. Kann jetzt der Liebende wohl danken?
Er sieht die Braut, er sieht das Blatt.
Voll überschwänglicher Gedanken
Sieht er sich ewig hier nicht satt.
Sie schlüpft hinweg und hört von weiten
Noch freundlich seinen Nachgesang,
Doch bleibt ihr wohl zu allen Zeiten
Der Freundinn Glück der liebste Dank.

Novalis.

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Letzte Aktualisierung 28-Mär-2003
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