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Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Spenersche Zeitung), 26. 7. 1828, Nr. 173, unpag.

„Prinz Friedrich von Homburg“


Eine Ansicht des Kleist’schen Drama’s: Der Prinz von Homburg.
Es ist eine alte Klage, daß überall das Neue Widerspruch erleidet, und Hindernisse zu besiegen hat. Die Thatsache ist wahr, die Klage darob aber nicht gerecht; denn das Neue soll erst dann befugt seyn das Bestehende abzulösen, wenn es sich auch als ein Gutes bewährt hat, und es kann sich als solches nur bewähren, wenn ihm Widersprüche entgegen treten, durch die es sich selbst und Andern klar wird, Hindernisse, die es durch inwohnende Kraft besiegt. Dies ist in jeder Wissenschaft, in jeder Kunst der Fall. Es ist also der Ordnung der Dinge durchaus gemäß und für den erfahrenen Beobachter, weder zu bestaunen noch zu beklagen, daß das genannte Kleist’sche Drama ehrenwerthe Gegner fand. – Trotz der Aristotelischen Regel nehmlich, daß kein dramatischer Held fleckenlos dargestellt werden dürfte, hatte sich doch die neue Zeit daran gewöhnt, den Muth der dramatischen Kriegeshelden nie und nimmer wanken zu sehen. Lebens- und Todesverachtung war ihnen so eigen, so unerläßlich und so leicht, wie der Rose Wohlgeruch, der Sonne Licht, dem Vogel Schnelle. – Daß es der höchste Grad der Sittlichkeit ist, wenn uns die Tugend kein Opfer mehr kostet, wird wohl von Niemand bestritten werden; aber Aristoteles schon und in neuern Zeiten, Lessing u. a. thun es dar, daß ein Ideal der höchsten Sittlichkeit keinen dramatischen Helden giebt. – Dies hat Kleist empfunden und erwogen, und deßhalb läßt er den Prinzen von Homburg tief in Todesschauer versinken, läßt die Zuschauer vor dem tiefen Fall erschrecken, um ihn dann um so höher und im Strahlenglanze des Muthes zu erheben. Erst dadurch wird sein Held wahrhaft dramatisch, d. h. wir können sein inneres Leben mit ihm leben. Der höchste nie wankende Muth aber, die reine Lebens- und Todesverachtung sind entweder durch ihre lichte Reinheit so farblos, daß sie kein Bild geben, so erhaben, daß sie uns in Göttlichkeit entrückt werden, oder – wir denken auch vielleicht: Diesem Todesverächter ist wohl der Tod noch nie in seiner Schreckensgestalt vor die Phantasie getreten, er hat jeden Schauergedanken an Grab und Lebensende leichten Sinnes von sich gewiesen, sich überschrieen und übertäubt. Der Krieger, der, inmitten der Massen, gegen den Tod speienden Festungswall anrückt, ist ehrenwerth, Max Piccolomini, der unter dem Huftritt hinstürmender Rosse sein Leben endet, ist bemitleidenswerth-großartig; aber größer und erhabener ist der Prinz von Homburg, der den gewaltsamen unfehlbar-gewissen Tod der Strafe erleiden soll, der sein eigenes Grab sieht, und bei diesem Anblick von solchem Grausen erfaßt wird, daß er der Sieger in der Schlacht um Fürsprache für sein Leben fleht, wahrhaft groß und erhaben ist dieser Held, wenn er nun (nicht exaltirt) sondern mit vollen Bewußtseyn sich so muthig erhebt, daß er, damit das ordnende Gesetz walte, sich selbst zum Tode verurtheilt. Die ehrenwerthen Gegner dieses Drama’s wollen nicht gern erschrecken bei dem augenblicklichen Fall eines so tapfern Fürsten, aber das Schrecken ist das Wesen des Tragischen, es kann ihnen nicht erspart werden, eben weil es ihnen den hohen edeln Genuß so großartiger Erhebung vorbereiten muß. – So weit ist dieses Stück einer allgemeinen Diskution unterworfen, und allgemein verständlich. Das individuell-vaterländische aber, das Preußenthum, das Element zugleich und das Kolorit dieses Meisterwerks, dies kann von einem Fremden nie und nimmer in dem Maaße gefühlt werden, als von einem Landeskinde. Was man auch im Auslande von diesem Drama gesagt haben möge, ein inniges, begeistertes Verständniß ist von Fremden unmöglich. Hier ist kein Heil- und Vivat-Rufen, kein stereotypes National-Lob, wie auf den französischen Bühnen tagtäglich, zu hören. Aber Gesetzlichkeit, unverbrüchliche Treue, Liebe des Heeres zu dem angestammten Fürsten, des Fürsten Festigkeit und Milde, kurz, was Preußen zu Preußen macht, wird uns in diesem herrlichen Gemälde lebendig vorgeführt, und keine vaterländische Hymne giebt es, die sich mit dem einfachen und erhabenen Monolog des großen Churfürsten messen könnte, der also beginnt: „Wenn ich der Dey von Algier wäre.“ Und so verdient die obere Behörde der Königl. Bühne den Dank des Publikums, daß sie dieses vaterländische Drama (mit Milderung des Excentrischen) zur Darstellung bringt.Ludwig Robert.

Der Artikel erschien als Vorbericht zu der am selben Tag stattfindenden Berliner Uraufführung des „Homburg“; zu Ludwig Roberts Engagement für diese Aufführung cf. Dirk Grathoff, Zur frühen Rezeptionsgeschichte von Kleists Schauspiel „Prinz Friedrich von Homburg“. Mit unbekannten Zeugnissen zur ersten Berliner Aufführung 1828, in: GRM 61 (1980), 289-311.

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