Theophil Zolling (Hrsg.), Heinrich von Kleists sämtliche Werke. Erster Teil.
Gedichte. Familie Schroffenstein. Familie Ghonorez (Berlin, Stuttgart: Spemann [1885])
(Deutsche National-Litteratur, 149. Band), Anhang, CXLI-CXLIII
Friedrich de La Motte-Fouqué an Christian August Gottlob Eberhard, Nennhausen,
1. 12. 1811
Nennhausen, am 1. 10br. 11.
Vielleicht hat Ihnen, lieber Eberhard, das Gerücht oder ein öffentliches Blatt
bereits die traurige Ursache verkündet, um derentwillen ich genöthigt bin,
Ihnen Ihren
einliegenden Brief wieder zurück zu senden. Auf den Fall aber, daß Sie noch nicht davon
unterrichtet sind, lassen Sie es mich Ihnen mit kurzen Worten sagen denn mein
ganzes verwundetes Herz zuckt dabei zusammen daß sich Heinrich Kleist und eine
Frau, die er liebte, erschossen haben, mit der größten Ueberlegung, Besonnenheit und
Stille. Sie liegen nun mitsammen am Ufer eines Gewässers begraben, auf der Stelle, wo sie
fielen. Eben dorten ward im Herbst des vorigen Jahres meine und Kleists
Dichterverbündung durch sein liebevoll kräftiges Entgegenkommen auf das innigste
zusammengezogen! Nun schläft der herrliche Mensch da seinen tiefen Schlaf. Friede mit
seiner Asche! Ich sah seinem Besuch und der Freude über ein neu <CXLII:> von
ihm begonnenes Werk entgegen, nun kommt solch ein Abschied und die Botschaft solch
eines Werkes! Genug davon. Meine Erweichung nimmt Ueberhand, und doch heischen
unsre Geschäfte diese Stunde für sich.
Den
unbekannten Kranken vermag ich nicht, Ihrem Wunsche gemäß abzuändern. Streichen, wo mir
ein kritischer Grund einleuchtet, kostet mir nicht die geringste Mühe, und es mag wohl
nicht leicht ein Schriftsteller herzhaftere chrirurgische Operationen mit seinen Werken
vornehmen, als es oft vormalen von mir geschehen ist. Ja, auch auf Todesurtheile lasse ich
mich mit einer ächt ärztlichen Fassung ein. Aber um äußerer Ursachen willen nehme ich
den Kindern auch kein Glied eines Fingers ab. Rechnen Sie es mir nicht für
Ungefälligkeit an. Ich kann es nicht, und da mir Ihre Gründe für die Nichtaufnahme
einer so langen Erzählung gleichfalls vollkommen entscheidend sind, so sende ich den
ganzen Kranken, damit er nicht ein durchaus unbekannter verbleibe, eben mit dieser Post an
eine andere Zeitschrift ab. Dagegen wenn Sie es wünschen sollen
Sie in längstens 14 Tagen eine kleinere Erzählung von mir haben. Ich sage: wenn Sie es
wünschen, denn Aufrichtigkeit gegen Aufrichtigkeit, lieber Eberhard, es kommt mir fast
vor, als finde sich in meinen Arbeiten irgend ein Princip, das, wenigstens vor der Hand,
einigen Bezweckungen Ihres Institutes vielleicht entgegen streben müsse, und ich komme
vorzüglich auf diesen Gedanken durch meine Eroberung von Norwegen, deren Kürze mich
wirklich ich hatte sie so lange nicht vor Augen gehabt
überraschte. In Ihrer ersten Einladung äußerten Sie den Wunsch, Beiträge von mir zu
haben, die so recht aus meinem eigensten Sein hervorgingen. Dazu gehörten nun die beiden
eingesandten allerdings, und ich muß fürchten, die Erzählung, welche ich im Sinne
trage, leidet an ähnlichen Gebrechen für das ganz große Publikum. Dann nur ganz frei
mit der Sprache heraus, lieber Eberhard, daß sie mich vor der Hand bei dem Unternehmen,
welches vielleicht, seit seinem ersten Entstehen in der Idee, noch Modificationen erhalten
hat, nicht recht brauchen können. Ich gebe Ihnen mein ehrliches Wort darauf, daß meine
herzliche, freundschaftliche Anhänglichkeit für Sie nichts darum verlieren soll, auch
daß ich als Schriftsteller nach wie vor bereit stehe, Ihnen, sobald die Stunde schlägt,
behülflich zu sein. Was wollen denn überhaupt alle Zeitschriften und Beiträge der
ganzen Welt gegen die Jugendlichter sagen, welche aus gemeinschaftlich in Glück und
Vertrauen genossener Vergangenheit in unser Leben heraufglänzen! Wollen Sie aber den
erwähnten Beitrag, so schreiben Sie mir es nur umgehend, und er ist dann wieder umgehend
in Ihren Händen. Ich fange ihn nämlich auf allen Fall in diesen Tagen an, und bringe
ihn, bei seiner Kürze, schnell zu Ende. Noch bedinge ich mir aus, daß, auch
wenn mein Mitarbeiten für jetzt nicht brauchbar wäre, doch unsere freundschaftlichen und
literarischen Mittheilungen darum nicht wieder in dem einmal begonnenen Geleise stocken.
Vor Allem bitte <CXLIII:> ich sehr um etwas Näheres über ihr neuestes Werk. Ich
will es dann mit gleichen Notizen erwiedern.
Meine
Frau empfiehlt sich Ihnen bestens, und ich bitte Sie Ihrer Frau Gemahlin meine Ergebenheit
zu versichern. Mit aller Herzlichkeit und Treue
der Ihrige,
- Fouqué.
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