Hans
v. Wolzogen (Hrsg.), Briefwechsel zwischen Adolf Wagner und
Friedrich de la Motte-Fouqué, in: Der Wächter 7 (1924), H. 3, 81-118;
darin: 89f.
Friedrich de la Motte-Fouqué an Adolf Wagner, 15. 4. 1812
Am 15n April 12.
Hoffentlich, mein lieber,
theurer Freund, haben Sie schon vor Empfang dieses Blattes meinen
Beitrag zur Alruna \1\ durch unseren Hitzig
erhalten. Diese Arbeit ist Schuld daran, daß ich Ihren innigen, liebevollen Brief vom 12n
März samt den schönen italienischen Sonetten nicht alsbald beantwortete; ich wollte
Ihnen das Schwert des Zaubrers gleich mitschicken, und habe es doch nun wieder allein
fortsenden müssen, weil sich mir gestern zwar eine gute Gelegenheit nach Berlin, nicht
aber Zeit zum Schreiben darbot. Gut Wort findet ja früher oder später immer gute Statt!
Und recht aus tiefster Seele alles Gute und Liebe zu Ihnen zu sprechen, drängt mich mein
Gefühl, lieber Adolf. Gott bescheert mir des Heiles viel, überschwänglich viel in
meinen Freunden, und wenn ich auf manche unerfüllte, ach oft sehr theure Wünsche! eine
heiße Thräne der Wehmuth fallen lasse, dann leuchtet mir das Regenbogenlicht von Eurer
Aller mannigfacher Liebe und Huld durch die schmerzlichen Tropfen, und ich lächle wieder
in stiller Zuversicht die ewigen Himmel an, und freue mich über Gottes Gnadenverheißung.
Habt Dank, Ihr lieben, herzlichen Freunde all, und lieber Adolf, wenn mich Gott etwa
bald zu sich rufen sollte Sie wissen, bisweilen steht uns der Gedanke so
wahrscheinlich und nahe vor Augen, dann richten Sies in meinem Namen
denen aus, die mich lieben, wie ich Euch Allen meines Lebens blühenste Kränze
danke.
Ihr
Aufsatz über Mysticimus und Schwärmerei hat Neumann und mir große Freude gemacht und
wir danken Ihnen auf das lebhafteste dafür. Sie würden ihn gleich im ersten Hefte unsrer
Zeitschrift\2\ finden, wenn der Druck desselben
nicht schon so weit vorgerückt wäre. Wir beobachten darin eine bestimmte Ordnung: den
Anfang machen wissenschaftliche Aufsätze im weitesten Sinne des Wortes, dann folgen
Erzählungen, Gedichte, Kritiken und Correspondenznachrichten. Die Reihe war schon
<90:> zu weit in die leichteren Beiträge hinein, als Ihre ernsten, tief aus dem
innersten Leben herausgeholten Worte ankamen. Das zweite Heft aber soll sich gewiß damit
schmücken. Wie hätt ich die herrlichen Worte über Kleist auslassen sollen!
Sie mögen überdem um so passender in einer von mir redigirten Zeitschrift stehen,
da das Morgenblatt\1\ meine Aufforderung wegen des
darin abgedruckten Schmähangriffs auf den edlen Todten nicht bekannt machen zu wollen
scheint, und es mir unnöthig vorkommt, darauf zu dringen, denn der Gegner zieht sich
bereits, vor einer Erklärung A. G. Eberhards in Halle, mit trotziger Scheu
zurück, auf eine ebenso gemeine Weise, als er den Anfall begonnen hatte.
Mit
der Nachricht der bevorstehenden Aufführung von Eginhard und Emma haben Sie mir große
Freude gemacht. Vergessen Sie ja nicht, mich von dem Fortgange und dem Erfolge des
Unternehmens zu benachrichtigen; schreiben Sie mir, wer die Rollen übernommen hat, (wenn
ich auch die Namen zum Theil noch nicht gehört haben sollte; ich freue mich doch über
solche individuelle Beziehungen und Bezeichnungen), wie es mit Costum und Decoration
gehalten worden ist, und überhaupt gehen sie Recht ins Einzelne, wenn es Ihnen
nämlich Zeit und Lust vergönnen. So müßte es eine rechte Freude für den
Dichter sein, die Erscheinungen seines Geistes vor den leiblichen Augen verwirklicht zu
sehen. Wenn eine unsrer gewöhnlichen Theaterdirectionen auf meine Schauspiele verfiele,
sie würde mir einen schlechten Gefallen damit thun, und ich möchte ehr weg, als hin
reisen. Wie gern ich aber Ihre Darstellung sähe, weiß Gott! Es geht nur nicht. Man muß
ja zu so vielem Ersehnten sprechen: es geht nicht. Möge es nur nicht so mit unserm
einander von Angesicht zu Angesicht Schauen sein. Ich theile Ihren festen, freudigen
Glauben, und rufe mit Ihne aus: wir sehn uns gewiß einmal!
Freundliche
Grüße von meiner Frau für Sie und Kanne, dem ich auch herzlichen Gruß zurufe. Die
Briefe über die Mythologie erscheinen in dieser Ostermesse bei Hitzig.
Ich
schreibe jetzt an einem Trauerspiel aus dem siebenjährigen Kriege\2\, das mir manchen Freudenkelch einschenkt. Das, und ein Oratorium,
welches ich gemeinschaftlich mit einem edlen Musiker zu vollenden denke, möchte ich vor
Allem gern fertig sehen, bevor meine letzte Stunde schlüge. Doch, so Gott will, verhoffe
ich nie an ähnlichen Wünschen zu verarmen, und würde ich achtzig Jahre alt.
Leben
Sie wohl, mein lieber Adolf, schreiben Sie mir bald, und erfreuen Sie Neumann und mich mit
recht zahlreichen Beiträgen. Ich bin voll herzinniger Freundschaft
ganz
der Ihrige,
Fouqué.
\1\ Die Alruna, ein Taschenbuch für Freunde der
deutschen Vorzeit, herausgegeben von Ernst Müller, Zürich und Leipzig, erschien nach
1812 nicht mehr.
\2\ Die Musen. Eine norddeutsche Zeitschrift.
Herausgegeben von Fouqué und Wilh. Neumann Berlin 1812. 2. Quartal. S. 25-37.
\1\ Im Morgenblatt 1811 Nr. 310 war ein Artikel
erschienen Öffentliche Seligsprechung und Vergötterung des Mords und
Selbstmords. Darauf antwortete A. G. Eberhard in seiner Salina
1. 1812, S. 229-240, in einer Appellation an die Ankläger und Richter
Heinrichs von Kleist. Das Morgenblatt 1812, Nr. 47 u. 48, brachte einen
neuen anonymen Artikel Über die Appellation an die Ankläger und Richter Heinrichs
von Kleist, worauf Eberhard nochmals in seiner Salina 2. 1812, S. 104-116,
antwortete.
\2\ Die Familie Haltersee. In Fouqués Dramatischen
Dichtungen für Deutsche. Berlin 1813, S. 239-362.
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