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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]


W

Rüdiger Wartusch, Spuren der ‚Phöbus‘-Rezeption im klassizistischen Weimar, in: Beiträge zur Kleist-Forschung 11 (1997), 117-127; darin: 122f.

Karl Ludwig Fernow an Karl August Böttiger, Weimar, 10. 1. 1808 (Auszug)

[…] Wir haben seit einigen Wochen Wernern bei uns. Schade daß unsere kleine Hofdame nicht mehr lebt; seine Erscheinung würde ein großes Fest für sie sein. Schreiben mag ich nichts über den Wundermann; gelegentlich sollen Sie aber schon von ihm mehr erfahren. Ist der Phöbus schon über Dresden aufgegangen? ich bin neugierig auf sein Erscheinen, ob ich gleich keine große Erwartungen von <123:> ihm hege; die mystischen Nebel wird er schwerlich zerstreuen wollen; und wer weis ob der vorgebliche Phöbus selbst nicht ein bloßer Irwisch ist? Der Jason soll schon das sein. Prometheus wird auch wol bald seine Aufwartung machen; u. nun noch die unsauberen Geister die sich wieder einstellen mit ihrer Gemeinheit und ihrer [-m?] Klatsche. Unsere ganze Literatur scheint sich iezt in fliegende Blätter und Journale auflösen zu wollen. Ich glaube indessen das 1ste Stück des Museums für Alterthumswissenschaft wird alle diese Phöbusse und Jasons und Teutonen weit aufwiegen. Für mich ist diese Wolfische Offenbarung ein köstlicher Genus gewesen; wer die armen romantischen und mistischen irrenden Ritter zum Studium des klassischen Alterthums zurückfüren könte, der würde unserer litterarischen Republik den größten Vortheil gewären, und uns von einer großen Landesplage befreien; denn dieses Zeug ist für den Geist ansteckender, entnervender und zerstörender, als alles französische Übel das die Welt seit 1496 wo Carl VIII es mit aus Neapel zurückbrachte, heimgesucht hat; ich glaube, daß um junge Köpfe für diese Seuche zu bewaren, nichts kräftiger sei, als das Studium der alten Literatur und Kunst; die Alten waren durchaus an Seel u. Leib kerngesunde Menschen; u. damals gab es noch keine englische Krankheit, noch kein mal francese, noch kein Leiden Christi und keinen Wuschelkopf. Adio!

Ihr
unveränderbarer F.

H: SLUB Dresden: Mscr. Dresd. h 37. 50 (4°). Nr. 33.

  

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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