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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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Reinhold Steig, Clemens Brentano und die Brüder Grimm (Stuttgart, Berlin: Cotta 1914), 161-164

Jacob Grimm an Clemens Brentano, Kassel, 22. 1. 1811

Lieber Clemens, gar lieb und erfreulich ist mir der Beifall und die Aufmunterung gewesen, die Sie meinem Plan, wegen Herausgabe eines altdeutschen Sammlers, der allerdings auf nichts als mündliche Tradition ausgehen soll, gegeben haben. Sogleich bin ich her gewesen und habe einen näheren Entwurf gemacht, den ich Ihnen hier mitschicke, er ist fast zu weitläufig gerathen, indessen kann man davon abthun, und schreiben Sie mir, wo? So geht es mir, wenn ich in das Zeug komme; es ist mir so natürlich das auszudrücken, was ich von Herzen glaube, inzwischen haben Sie mir schon einigemal zu verstehen gegeben, daß ich nicht galant schreibe. Ihren vortrefflichen Rath zu der Ausführung des Plans, durch Eintheilung Deutschlands in gewisse Sammelgegenden, habe ich benutzt, es ist der einzige Weg gewiß, worauf wir zu etwas in dieser Sache kommen. Ich bitte Sie nun, zu dem ausführlicheren Plan mir auch noch genauere Zusätze und Rathschläge weiter zu geben, besonders lieb ist mir alles, was die Idee eines Journals entfernt, namentlich das Erscheinen eines Bands auf die Messen und der unansehnliche Druck, den ich alsdann auch desto wohlfeiler zu erhalten hoffe, aber sehr correct wünsche. Auch wird es Ihnen gefallen, daß die einzeln eingegangenen guten Sachen hintereinander, ohne andere Gesuchtheit, abgedruckt werden, blos mit vorgesetzter, laufender Nummer, und am Ende ein Register dazu. Gut wäre es wohl, zum Anfang ein Rungesches Mährchen oder einige andere Muster, die verständlicher machen, was die simpelste Auffoderung nicht vermag, <162:> einrücken zu lassen; sollte Ihnen oder dem Arnim der Zimmer nicht ein oder zwei Dutzend Exemplare davon verabfolgen, um sie dem Circular beizulegen, so wäre es noch besser\1\. Kriegen wir das ganze Jahr nur allein zehn solcher Mährchen geschickt, so wäre es schon der Mühe werth. Für Verschmelzung mehrer Recensionen in Eins, oder gar für Restauration mangelhafter\2\ bin ich einmal durchaus nicht, Sie wissen meinen Glauben darüber, und wenn uns das Publicum hier seine innersten Quellen öffnet, so steht uns gar kein Schalten und Walten darüber zu, weil wir hier blos Material sammeln und noch an keine Critik kommen dürfen.
Ein Hauptpunct ist, unserm Plan Gönner und Beförderer zu schaffen, sonst geht es nicht ein. Sprechen Sie doch einmal mit Arnim und Savigny über die beste Art und Weise. Dürfen wir beide hier noch Ihren und Arnims Namen unter den Plan drucken lassen, so wäre das schon etwas sehr Gutes. Görres steht uns gern bei; auch an Villers will ich mich wenden\3\, der bei einem uns vermuthlich ungefälligen Theil des Publicums in Gewicht und Ehre steht. Sollte man sich an Jean Paul machen <163:> dürfen? Ja wenn Göthe irgendwo nur ein paar Zeilen zur Empfehlung schreiben wollte, so wäre uns gleich geholfen, allein ich fürchte, der Erfolg ist ihm nicht sicher genug vorauszusehen, bevor er dergleichen thun mag. Haben wir erst einmal ein paar große Namen für uns, so muß es schon in Gang kommen und dann macht sich die Unteraustheilung tausendmal leichter, wozu sich in meiner umliegenden Bekanntschaft bereits einige brave und gewogene Leute finden, unter der Ihrigen noch viel mehr. Den Westenberg, der ohne Frage die besten Stücke ins Wunderhorn zugeschickt hat\1\, müssen Sie ja nicht vergessen, weniger ist wohl mit dem Heidelberger [Alois] Schreiber anzubinden, eher noch mit unserm dortigen Namensverwandten [Albert Ludwig Grimm], dessen gedruckte Kindermärchen freilich gar schlecht sind. Doch eh wir dran sind, müssen wir erst das Circular auf feines Briefpapier eng abdrucken lassen, die Redacteurs der beliebten Zeitungen werden sich doch wohl schämen und die unten angetragene Ehre ohne Bezahlung einrücken, denn sonst müßte man sich auf weniges einschränken, was nicht gut ist. An Hagen mag ich mich nicht wenden, noch an Tieck werdet Ihr mögen, der, wie jener schreibt, wieder nach Ziebingen ist. Auf andere können wir uns noch besinnen.
Von den übrigen Plänen ein andermal, lieber Clemens, dieser eine hat mir diesmal alle Zeit weggenommen, da wir das Paquet erst vorgestern erhielten und doch die Glückwünschungsschreiben nicht bis auf einen <164:> Posttag weiter verschieben wollten. Die Weste [oben S. 156] ist dem Wilhelm zugefallen, aus dem Grund, weil ich mir diesen Winter ein Paar himmelblaue Hosen habe machen lassen, käme nun das Gelb hinzu, so sähe ich wie ein ehmaliger Hessenhusar aus. Leben Sie wohl, das andere will der Wilhelm zuschreiben, tausendmal gegrüßt, und antworten Sie bald Ihrem treuen Jacob.

\1\ Jacob Grimm meint wohl diejenigen Nummern der bei Zimmer erschienenen Einsiedlerzeitung, in denen Runges Märchen „Vom Machandelbohm“ abgedruckt war; über die beiden Rungeschen Märchen, Machandelbohm und Fischer, habe ich in Brandls und Toblers Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 107, 277 (1902) und 110, 8 (1904) gehandelt.
\2\ Das erstere that Brentano damals bei der Bearbeitung der Märchen, die er sich von Grimms erbat; das letztere war im Wunderhorn geschehen.
\3\ Den von Isler 1879 herausgegebenen Briefen Grimms an Charles de Villers ist zu entnehmen, daß es nicht geschehen ist.
\1\ Die Lieder des Wunderhorns 2, 285. 294. 298 haben den Vermerk: „mitgetheilt von H. v. Westenberg in Constanz“. Die Schreibung des Namens ist irrig; es ist der Freiherr Heinrich von Wessenberg (Goedeke, Grundriß, 2. Auflage 6, 358) gemeint.

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Letzte Aktualisierung 22-Jan-2003
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