Arno Barnert
in Zusammenarbeit mit Roland Reuß und Peter Staengle, Polizei
Theater Zensur. Quellen zu Heinrich
von Kleists Berliner Abendblättern, in: BKB
11 (1997), 29-353; darin: 316
Polizeiverordnung für Theaterbesucher, Berlin, 26. 12. 1810
(Entwurf)
<108r>
Obrigkeitliche Verordnung
Mit Bezug auf die Verordnung vom 20ten
Dezember vorigen Jahres wird, In Gemäßheit
Höchster Befehls ^wird^ hierdurch wiederholentlich
aufs Strengste verboten, daß einzelne Personen im
Schauspielhause während der Vorstellung, durch lautes
Pfeifen und Pochen oder auf andere Weise ihr Misfallen
laut zu erkennen geben und dadurch das Ganze stören.
Jeder,
der sich dieses Mangels an Achtung für Publikum und
Kunst künftig schuldig machen sollte, er sei, wes
Standes er wolle, wird sofort arretirt und zur
Bestrafung * gezogen werden. Widersetzlichkeit
bei der Arretirung zieht erhöhete gesetzliche
Strafe nach sich. Berlin
den 26ten Dezember 1810
Königlich Preußisches Gouvernement und Polizei-Präsident
Appendix: Polizeiverordnung für Theaterbesucher,
Berlin, 20. 12. 1809
<60r>
Abschrift.
Es ist bereits durch frühere Verordnungen verboten,
daß einzelne Personen im Schauspielhause während der
Vorstellung durch lautes Pfeifen und Pochen ihr Misfallen
über Schauspieler zu erkennen geben und dadurch das
Ganze stören.
Vorzüglich
strafbar ist dieses Benehmen dann, wenn aus Privatabsichten
und Verabredung Einiger, selbst anerkannt verdiente
Künstler durch eine solche Störung gekränkt werden.
Jeder,
der sich künftig dieses Mangels an Achtung für Publikum
und Kunst schuldig machen sollte, hat es sich bei
zu meßen, wenn er augenblicklich durch die Polizei-Offizianten
und Bürgergarde aus dem Schauspielhause entfernt und
zur Verantwortung gezogen wird. Wiederholungen eines
solchen Benehmens schließen das Recht zum Eintritt
ins Schauspielhaus gänzlich aus.
Die Polizei-Offizianten und Bürgergarde sind angewiesen,
auf die genaueste Befolgung dieser Vorschrift zu halten;
jede persönliche Beleidigung derselben bei Ausübung
dieser Pflicht wird nach aller Strenge der Gesezze
bestraft werden.
Berlin
den 20ten Dezember 1809.
Königl.
Preuß: Gouvernement und PolizeiPräsident von Berlin.
|
* polizeilicher Geld- oder Gefängnißstrafe
|
H:
GStA-PK, Sign.: HA I, Rep. 74, J, XI, Nr. 1, Bl. 108
[Appendix: GStA-PK, Sign.: HA I, Rep. 74, J, XI, Nr. 1,
Bl. 60]
|