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[ DOKUMENTE UND ZEUGNISSE ]

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B

Arno Barnert in Zusammenarbeit mit Roland Reuß und Peter Staengle, Polizei – Theater – Zensur. Quellen zu Heinrich von Kleists „Berliner Abendblättern“, in: BKB 11 (1997), 29-353; darin: 307-309

Friedrich Adolf v. Kalckreuth und Karl August v. Hardenberg an Friedrich Wilhelm III., Bericht zum Theaterskandal, Berlin, 21. 12. 1810

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Ew: Königlichen Majestät haben uns, dem Feldmarschall Grafen von Kalckreuth und dem Staatskanzler Freyherrn von Hardenberg allergnädigst zu befehlen geruhet, den am 26ten November c. im Schauspielhause vorgefallenen Unfug untersuchen zu laßen.
Dieses ist durch den Obristlieutenant von Willissen und den Stadtgerichts-Director von Schlechtendahl geschehen.
Zwey und Zwanzig Personen meistens Offiziere, nur wenig vom Civile, <308:> sind als Schuldige angegeben, davon wir Ew Königlichen Majestät ein aus den Akten ausgezogenes Verzeichniß alleruntertänigst zu Füßen legen.
Sowohl aus den Vernehmungen der Zeugen, als aus mehreren Umständen ist anzunehmen, daß eine Verabredung von den Schuldigen im Voraus getroffen wurde, die Ruhe im Theater zu stören, teils um der Schauspielerin Herbst und der Theaterdirection ihre Unzufriedenheit mit der Wahl derselben zu erkennen zu geben, teils um sich wegen eines am 21ten stattgefundenen Vorfalls mit dem Gymnasiasten von Thümen, zu rächen.
Schon damals war nämlich jene Schauspielerin auf eine ungesittete Art ausgepocht worden. Der junge v Thümen hatte mit Theil daran genommen und wurde von den Polizeybedienten gegen die Beschimpfungen einiger Personen des mit dem Tumult unzufriedenen größeren Theils des Publikums in Schutz genommen und aus dem Parterre herausgeführt. Hier verging sich der Polizeyinspector Holtorf, sein ehemaliger Lehrer am Gymnasio mit Worten gegen ihn und wollte ihn arretiren, auf den Vorschlag eines andern Polizeybedienten aber entschloß sich der junge v Thümen die Schauspielerin Herbst um Verzeihung zu bitten. Dabey würde alles ruhig geblieben seyn, wenn nicht jene Verbindung die Sache unnützerweise zu ihrem Zweck benutzt hätte. Es ist bewiesen, daß am 26ten während der Aufführung des Stücks und sobald die Schauspielerin Herbst erschienen, das Zeichen zum Auspochen derselben aus der Fremdenloge gegeben und dieses dann von dem Parterre so lange fortgesetzt und von beiden Seiten her so lange gepocht, gepfiffen und gelärmt ist, bis der Vorhang niedergelaßen und andere Vorstellungen gegeben werden mußten. Die auf Befehl des Commandanten, den ich der Feldmarschall Graf v. Kalckreuth zur Erhaltung der Ruhe und Verhütung solches Benehmens aufgefordert hatte, hingeschikten Major v Both
und

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und Platzmajor v Gontard haben diesen Unfug nicht zu verhindern vermogt, und die damit beschäftigten Bürgergarde Offizier und Unteroffiziere sind, ohngeachtet sie im Nahmen des Gouvernements Ruhe und Ordnung geboten, verlacht und gegen die Polizeyoffizianten sind drohende Worte ausgesprochen worden. Als Anstifter und Vollbringer dieses Unfugs sind mehrere, teils active, teils inactive Offiziere angegeben und ihre tätige Theilnahme daran hat nicht geläugnet werden können; ferner der verabschiedete ehemalige Lieutenant von den Gensd’armes, Graf v Hertzberg und der junge hier studirende Graf v Blanckensee. Der Graf Hertzberg hatte die Fremdenloge auf 7 Personen genommen und von ihm wurde auch das Signal gegeben.
Ueber jene Verabredung und Verbindung aber, ist keine völlige Gewißheit zu erlangen gewesen, weil die Theilnehmer solches gänzlich geläugnet und sich einstimmig erklärt haben, daß sie sich nicht verpflichtet und es ihrer Ehre zuwider hielten, irgend Jemand anzugeben, und weil dabey keine Zeugen zugegen gewesen sind. Es wird daher auch zu nichts führen, wenn die Untersuchung näher fortgesetzt und darüber ordentlich erkannt würde.
Indessen kann man immer annehmen, daß sie statt gefunden habe und daß der Major v Möllendorff sich an der Spitze derselben befinde, bey dem sich schon längst jeden Morgen eine große Gesellschaft von 40, 50, und mehreren Personen von müßigen Menschen versammelt, um die Vorfälle des Tages zu critisiren, dahin auch der junge v Thümen von dem Grafen v Blanckensee gerufen wurde, um ihn aufzureitzen, an dem Tumulte Teil zu nehmen.
Schon an sich ist das Benehmen der Schuldigen höchst unschiklich und strafbar, wenn der ruhige bey weitem größte Theil des Publikums im Theater durch eine kleine Anzahl von Zuschauern in seinem Vergnügen gestört <309:> wird, und das Betragen gegen die Polizeybedienten die Bürgergarde, ja selbst gegen den Major v Both und den Platzmajor ist es noch mehr; überdem ist auf Befehl Eurer Königlichen Majestät eine solche Stöhrung durch lautes Pfeiffen und Pochen während der Vorstellung, durch
das

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das Publicandum des Gouvernements und des Polizey-Präsidenten vom 20 Dezember v J. ausdrüklich verboten.
Wir schlagen untertänigst vor, durch einen geschärften Befehl jene frühern wieder in Erinnerung bringen und öffentlich bekannt machen zu laßen, auch dem Gouvernement und dem Polizeypräsidenten aufzugeben, ähnliche Auftritte auf der Stelle ernstlich zu rügen und ihre Ausführung zu verhindern, übrigens aber wegen der Haupt-Theilnehmer ihre Entfernung von Berlin auf eine Zeitlang bis auf weiteren Befehl zur Strafe zu verfügen. Dieses würde
1. den Major v Möllendorff;
2. den Rittmeister v Werder, vom ehemaligen Regiment Rouquette; welcher nur zu Besuch hier ist und nach Ziesar gehört;
3. den Lieutenant v Wiersebitzky, welcher des Militairunterrichts wegen sich hier befindet;
4. den ehemaligen Lieutenant Grafen Hertzberg
5. den gewesenen Rittmeister v Werder, welcher seitdem schon wieder Lärm im Buffet des Schauspielhauses mit dem Major du jour gehabt hat;
6., den jungen Grafen v Blanckensee,
treffen.
Dem Capitain v Klitzing vom Generalstaabe, dem Lieutenant von Natzmer welcher Berlin bereits verlassen hat, und dem Lieutenant von Neuhaus vom GardeJägerBataillon, würde ihre Uebereilung und Theilnahme ernstlich zu verweisen seyn, so wie dem beym FinanzMinisterio angestellten Calculator Reichert.
Wir führen nur noch untertänigst an, daß der Polizeyinspector Holttorf mit einer Geldbuße von 25 Rth. und Abbitte gegen den jungen v Thümen bereits bestraft ist, und stellen die Höchste Entscheidung Ew Königlichen Majestät ehrerbietigst anheim.
Berlin d 25ten Dezember 1810.
Kalckreuth Hardenberg

An
des Königs Majestät

H: GStA-PK, Sign.: HA I, Rep. 74, J, XI, Nr. 1, Bl. 22-23

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