Arno Barnert in
Zusammenarbeit mit Roland Reuß und Peter Staengle, Polizei
Theater Zensur. Quellen zu Heinrich von Kleists Berliner
Abendblättern, in: BKB 11 (1997), 29-353; darin: 304-306
Bericht des Polizeiinspektors Kayser, Berlin, 17. 12. 1810
<100r>
Berlin den 17ten Dezbr 1810.
Der Herr Rittmeister von Werder der Ältere hat gestern Abend in der Konditorei
des Schauspielhauses die Töchter der Wittwe Reibedanz seiner vertraulichen
Unterhaltung gewürdigt; sie demnächst aber, wegen vermeintlichen Lächelns über ihn,
mit groben Schimpfnamen belegt u. mit Thätlichkeiten bedroht. <305:>
Der für den Tag kommandirte
Major HErr von Beyer, im Leibregimente, hat d Hrn von Werder zwar
vermogt, die Konditorei zu verlassen, ist aber selbst mit Geringschätzung von ihm
behandelt worden. Auf seine erste bittweise Aufforderung, sich entweder ruhig zu verhalten
oder den Ort zu verlassen, hat ihm Hr von Werder erwiedert:
er habe ihn dort um nichts zu
bitten; es stehe ihm frei, so lange dort zu bleiben, als er irgend wolle, u. auch zu thun,
was er wolle, die Angaben der Reibedanzschen Familie seien lügenhaft, er gebe
Niemandem Ohrfeigen, der sie nicht verdiene u.s.w.
Die Art, mit der er dies geäußert, hat d Hrn v Beyer veranlaßt, seine
erste Aufforderung zu wiederholen. Herr v Werder hat ihn hierauf befragt:
wer er denn sei?
/: obgleich er dies aus der vollständigen Uniform füglich, soweit es nötig war, hätte
abnehmen können :/ und nach erhaltener Auskunft darüber hinzugesetzt:
nun mein Herr Major von Beyer, ich werde Ihrer Aufforderung
ge
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genügen und gehen mein Herr
Major von Beyer. Morgen aber werden wir uns sprechen, mein Herr Major von
Beyer.
Auf die Frage des Letztern, warum er seinen Namen so oft wiederhole, habe er erwidert:
nun, sind sie es etwa nicht
werth, daß man Ihren Namen nennt?
und sich hierauf wieder ins Theater verfügt. Herr v Beyer hat die Namen der
Personen, welche bei der Unterredung gegenwärtig waren, aufgezeichnet u. zur Stelle
nichts weiter veranlaßt.
Hr Polizei-Kommissarius Eberhard, der in bürgerlicher Kleidung war, hat dem
Vorgange auf mein Ersuchen beigewohnt. Ich selbst nahm Anstand, mich in die Sache zu
mischen, da ich den Herr v Werder noch nicht förmlich aus dem Königl. Militair-Dienste
entlassen glaubte. <306:>
Dieser Vorfall scheint mit
übrigens einen neuen Beweis abzugeben, wie dringend nothwendig es ist, das Ansehen der
öffentlichen Autoritäten bei einem Theil der adlichen und Militair-Kaste wieder
herzustellen u. in Zukunft kräftiger als bisher, aufrecht zu erhalten. Werden diese
Autoritäten nicht in den Stand gesetzt, jede Sünde wider Ordnung u. Sittlichkeit, auf
eine legale Art, strenge zu rügen, so steht zu befürchten, daß dies bald einmal durch
die übrigen Einwohner auf eine
tu
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tumultuarische Weise geschehen wird.
Die Stimmung der Bürger, gegen das Militair ist nie schlechter gewesen, als jetzt.
Berlin 17 Dezbr 1810
Kayser
H: GStA-PK, Sign.: HA I, Rep. 74, J, XI, Nr. 1, Bl. 100-101
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