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Euer Hochwohlgeboren habe ich bereits mündlich über
die Aufnahme der Operette: Die Schweizerfamilie
bei der ersten Vorstellung derselben ganz gehorsamst
Bericht erstattet und ermangele jetzt nicht, sowohl
hierüber als über die gestrige tumultuarische Unterbrechung
dieser Operette zur Vervollständigung folgendes ehrerbietig
anzuzeigen.
Das
Gerücht von der Existenz einer nicht sowohl gegen das
Stück als gegen die Schauspielerin Herbst gerichteten
Kabale war der Aufführung desselben vorangegangen
und die General-Direkzion des Königlichen Nazional-Theaters
fand sich veranlaßt, mich wegen der zu besorgenden
Ruhestörung hierauf besonders aufmerksam zu machen.
Ich traf sogleich die zweckdienlichsten Vorkehrungen,
ordnete die Verstärkung des Polizei-Personals an und
instruirte den Polizei-Inspektor Kayser noch mündlich,
nur den während der Vorstellung etwa vorfallenden
Unordnungen im Entstehen zu begegnen, damit dem Publikum
der ungestörte Genuß der Darstellung gesichert
bleibe. Zugleich erhielt der p Kayser die Anweisung,
den übrigen Polizei-Offizianten dem gemäß die nöthigen
Eröfnungen zu machen und dabei die unterm 20ten
Dezember v. Js. erlassene, in den öffentlichen
Blättern enthaltene Bekanntmachung von Seiten
des Königlichen Gouvernements und der Polizei-Behörde
zur Richtschnur zu nehmen.
Die
Vorstellung selbst fand am 21ten
cur. wider Erwarten einen ungetheilten
und zum Theil laut ge-
äu-
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ßerten Beifall und beim Schluß derselben wurde die Schauspielerin
Herbst, welcher die erste Rolle darin zu Theil
geworden war, harausgerufen. Indem sie nun dem Publikum
für das erhaltene Zeichen des Beifalls ihren Dank
abstatten wollte, ließen sich unter den erneuerten
Applaudissements einige Pocher hören. Unter diesen
befand sich ein junger Mann, welcher durch sein Betragen
den Unwillen der Umstehenden erregt hatte und von
ihnen mit Schimpfwörtern überhäuft wurde. Zur persönlichen
Sicherstellung desselben forderte ihn der PolizeiInspektor
Jacobi auf, ihm in die Kassenstube zu folgen. Er
that dies unweigerlich und hier war es, wo er von dem
herbeigerufenen Polizei-Inspektor Holthoff
über sein Betragen zur Rede gestellt wurde. Er
gab sich auf Befragen für einen Gÿmnasiasten von
Thümen aus und scheint die anwesenden Polizei-Offizianten
außer ihnen war Niemand zugegen
vorzüglich dadurch aufgebracht zu haben, daß
er die Aeußerungen des Unwillens von Seiten der
ihn im Parterre umgebenden Personen gänzlich in Abrede
stellte. Ewr. Hochwohlgeboren behalte ich <268:>
mir vor, noch heute die über diesen Punkt nach der
genommenen vorläufigen Rücksprache auf die Verantwortung des
Polizei-Inspektors Holthoff veranlaßten weitere Vernehmungen
und Erörterungen ganz gehorsamst mitzutheilen, wodurch
allerdings soviel ausgemittelt worden ist, daß
der p Holthoff sich von seiner AmtsEifer und in
der Voraussetzung, er habe einen Schüler vor sich,
zu weit hat leiten lassen.
Wegen
der dadurch erregten Sensazion schien es mit Euer
Hochwohlgeboren Genehmigung am Beßten, die Ope
rette
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rette vorläufig nicht wieder zu geben. Ich forderte
dero Befehle gemäß, die Direkzion des Theaters dazu
durch den Rendanten Jacobi sogleich
mündlich auf, mußte indeß nach eingeholter Zustimmung
von Euer Hochwohlgeboren davon abstrahiren, weil sämmtliche
Logen bereits gerade auf dieses Stük vermiethet
waren, und die Direkzion mit Recht besorgte,
daß der Ausbruch der Kabalen dadurch nur, im
günstigsten Fall, einen Aufschub erlitten haben würde,
welcher die Gefahr noch vergrößern könnte, und das übrige
ruhige Publikum durch Abkündigung des Stüks ebenfalls
aufgebracht haben würde.
Gestern
Mittag erhielt ich indeß von mehreren Seiten davon
Nachricht, daß sich eine Parthei gebildet habe, welche
die Vorstellung der mehrerwähnten Operette zu
beunruhigen Willens sei. Da mir als Theilnehmer der Verabredungen
blos Militairpersonen genannt worden waren, so
unterrichtete ich den hiesigen Kommandanten Obristen
von Brauchitsch mittelst eines Billets, welches ihm
der Polizei-Inspektor Kayser überbringen
mußte, sofort von meinen Besorgnissen und bat
ihn, die Vorkehrungen, welche er nöthig erachten würde
einzuleiten. In welcher Art er mein Gesuch beantwortet
hat, wollen Euer Hochwohlgeboren aus seinem Originalbillet
vom gestrigen Tage geneigtest entnehmen und ich
erlaube mir nur, gegen die darin enthaltene Vermuthung,
wegen der angeblichen unanständigen Behandlung
des Militairs durch Polizei-Offizianten, ganz gehorsamst
zu bemerken, daß dieselbe nicht gegründet ist,
indem der p von Thümen, wie ich bereits ehrerbietig
angeführt habe, nicht Militair ist. Auch
habe
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habe ich ihm sowohl als dem Hauptmann von Klitzing
vom Generalstaabe, welcher ihn bei mir einführte,
in den bündigsten Ausdrücken, Genugthuung nach vorhergegangener
Untersuchung des Vorgefallenen versprochen, und solches
dem Herrn Kommandanten sogleich geäußert, auch
mehrmals am Abend um die nöthigen Vorkehrungen
gebeten.
Alle
Anzeigen deuteten nur dahin, daß die zu befürchtende
Stimmung nicht nur gegen die Schauspielerin
Herbst sondern auch gegen die Polizei-Offizianten
gerichtet wäre und aus diesem Grunde schien es
mir zur Vermeidung jeder Provozirung das Rathsamste,
die zur Ausmittelung
der Unruhstifter besonders beorderten Polizei-Kommissarien
Rexrodt, Niesner, Engel, Splittgerber und
Schrö <269:> der <Schröder>
in bürgerlicher Kleidung der Vorstellung beiwohnen zu
lassen, ich selbst hielt mich aber in meiner Wohnung
bereit, um durch meine Gegenwart im Schauspielhause
mein Amt nicht unnöthiger Weise zu kompromittiren.
Der
ganz gehorsamst beigefügte Bericht des PolizeiInspektors
Kayser, dem die Oberaufsicht anvertraut war,
gibt nicht nur die nähern Umstände von der gänzlichen
Unterbrechung des Stüks im ersten Akte an, sondern
es sind darin auch die Ruhestöhrer, soviel als möglich
nahmhaft gemacht worden. Es ergibt sich daraus, daß
solche größtentheils Offiziere gewesen und von Zivillisten
nur Wenige bemerkt sind. Zum Theil mag dies daran liegen,
daß Erstere die Angelegenheit irriger Weise als Standessache
betrachtet haben, zum Theil scheint sie, geheimen
Gerüchten nach zu urtheilen, aus einer Fakzion herzurühren,
welche hier eine Gesellschaft mehrerer bekannten junger
Männer bilden, an deren Spitze der inaktive
Major
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Major von Möllendorff stehen soll und unter
welchen sich auch der p von Herzberg befindet.
Die allgemeine Stimme beschuldigt Selbige laut der
meisten TheaterKabalen, welche seit Jahr und
Tag vorgefallen sind. Juristische Beweise lassen sich
indeß dieserhalb nicht beibringen. Jedoch soll der
junge von Thümen häufig bei dem p von
Möllendorff gewesen, auch die Klage des
Erstern bei Letzterm entworfen worden sein. Gut wäre
es gewiß, eine solche Clique, unter der
das ganze gebildete Publikum leidet, zu zerstören und
da der p von Herzberg offenbar zu den Ruhestörern gehört,
so dürfte selbiger unbedenklich in gesetzlichen
Anspruch zu nehmen und sein Benehmen exemplarisch zu
ahnden sein. Ich bitter Euer Hochwohlgeboren ganz gehorsamst,
Solches, sowie überhaupt eine nachdrükliche Ahndung
des ganzen Vorfalls geneigtest zu veranlassen, indem
das gesammte Publikum darüber höchst erbittert
und die Theater-Direkzion um Muth nd Ansehen
gebracht ist. Könnten Vorfälle der Art ungerügt
bleiben, so ist nicht abzusehen, wohin sie führen
würden.
Uebrigens
erlaube ich mir noch zu bemerken,
1, daß ich dem Herrn Kommandanten nicht früher von
der Absicht der Unruhestiftung Nachricht geben
konnte, weil ich sie nicht früher erfuhr, auch m. E.
von 2. bis 6. Uhr Zeit genug zu Gegenvorkehrungen
war, und ich solche so weit getroffen habe, als ich
konnte.
2, daß die Beleidigung des p Holthoff gegen
Herrn von Thümen nicht Standessache
der Offiziere
sein
<46v>
sein konnte, da derselbe nicht Militair ist, und überdies
die bündigste Versicherung der Genugthuung gegeben
hatte, so daß also in keiner Art, Grund vorhanden
gewesen, das gesammte Publikum, die Theater-Direkzion
und Demoiselle Herbst dieserhalb zu
turbiren.
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Ob es übrigens nöthig sein dürfte zur Erhaltung fernerer
Ruhe, insbesondere zur Sicherung der p Herbst
bei dem am Freitag bevorstehenden Wiederauftreten
mit dem Königlichen Gouvernement nähere Verabredungen
zu treffen,
stelle Euer Hochwohlgeboren ich ganz gehorsamst anheim.
Berlin
den 27ten November 1810.
Gruner
An des Königlichen Geheimen StaatsRathes
und Departements-Chefs, auch Ritters
des rothen Adler-Ordens
Herrn Sack Hochwohlgeboren
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Koehler
28.
pd 27 Nov Abds 6 Uhr
S Exc Köhler cito
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