Wilhelm Amann,
Der edle Unglückliche. Fouqué
über Kleist, in: BKB 12 (1999), 33-99; darin: 60f.
Fouqué an Helmina v. Chézy, Nennhausen, 11. 5. 1812
<1r
>
- Nennhausen,
am 11t Mai, 12.
- Noch über
die lieblich gütigen Worte, womit mich Ihr letzterer
Brief erfreute, theilte mir Hitzig durch die vorgestrige
Post einen holden Gruß von Ihnen mit, und die Botschaft,
daß sich Ihr ehrwürdiger Großher- <61:> zog an meinem
¿¿¿ Abschied erfreut
von Heinrich Kleist erfreut habe. Dies Gedicht ist
die Frucht einer schmerzenreichen, thränenheißen
Stunde, derselben, in welcher ich die Bestätigung
jenes bereits geahnten Schrecknisses erfuhr. Nie
aber hat mich auch die tröstende Kraft der Poesie lebendiger
durchdrungen, als grade damals. In liebevoller Wehmuth
verschwamm alles Dumpfe, alles Stechende meines Leides, und
ich durfte zu Gott hinaufblicken, mit dem Vertrauen, er
werde dem edlen getrübtem Geiste recht bald jenseits
aufthun das rechte Licht, den beseeligenden Himmelsstrom,
der aus der wahrhaft christlichen Anschauung ausströmt
in Erbarmung und Klarheit. Die Angriffe, welche
bald darauf gegen den Todten erfolgten, schmerzten
mich, ohne mich zu einer Widerlegung aufzufordern,
denn theils hatten die Leute von ihrem Standpunkte aus
gewissermassen recht, theils war ich von dem näheren
Historischen der That zu wenig unterrichtet, theils auch
legen Sie es mir nicht als Hochmut aus
hielt ich die mehresten Angreifer unter Kleists
und meiner Würde. Da kam das ruchlose Gebelle im
Morgenblatt, und ob es gleich niedriger war, als
alles Uebrige, konnte ich dennoch so wenig darüber schweigen,
als hätte Jemand
<1v>
die Ruhe des edlen Leichnams mit frechem Hohn zerstört. Ich
setzte eine Aufforderung an den Ungenannten auf, sich
mir persönlich zu nennen, damit ich wisse, wie ich eigentlich
mit ihm umzugehen habe, und begehrte, daß sie im
Morgenblatt abgedruckt würde. Das geschah nicht,
aber man verweigerte es auch nicht, und hielt die
Sache so hin. Darüber bekam der Schmähschreiber einen
andern, viel zu milden Gegner, zog sich vor ihm mit
feigem Trotze zurück, wickelte sich dicht in seine
durchsichtige Anonymität und erklärte, nie wieder
ein Wort über diesen ganzen Gegenstand zu schreiben.
Was soll ich nun mit ihm anfangen? Noch fortfahren,
an einem sichtlich Erlegnen zu rupfen, geht nicht.
Zudem hat er ohne Zweifel meine Aufforderung gelesen,
und das Publikum hat gesprochen. Er mag denn also
laufen, und seine auf sich selbst herabgeschmähte Schmach
mitnehmen.
H: BJK (3 Seiten, 89 Zeilen; hier: Z. 1-47).
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